domicil History: Vom Kellerclub zur Konzertbühne
Die Anfänge
Als die „domiciler“ mit dem Erstvorstand R. Glen Buschmann, Werner Panke und Albert Schimanski am 14.3.1969 die Türen an der Leopoldstraße für das Publikum öffneten, begann ein neues Kapitel in der vielgestaltigen Geschichte des Dortmunder Jazz. Seit dem Ende des HotjazzClub hatte der Jazz in Dortmund keine feste Bleibe mehr. Das domicil war nun ein fester Auftrittsort für die Musiker, ein Treffpunkt für die Jazzfans, ein Konzertraum für viele unvergessliche Musik-Highlights.
Den domicilern gelang es mit dem vom Jugendamt zur Verfügung gestellten Raum und einem kleinen jährlichen Vereinszuschuss von maximal 10.000 DM ein Programm mit 50 und mehr Konzerten im Jahr auf die Beine zu stellen. Um dieses Veranstaltungsvolumen zu finanzieren, war die seit 1971 stattfindende domicil-Weihnachtsmatinee ein weiteres wichtiges Standbein.
Aus dem Bedürfnis nach einer selbstverwalteten Kulturarbeit begannen die domicil-Gründer wie viele Jazzclubs der Epoche: In bescheidenen Räumlichkeiten organisierten ehrenamtlich agierende Musiker/innen und Fans Konzerte und Treffs zum Musikhören. Einmal wöchentlich, meistens an Freitagen oder Samstagen, kam die Szene zusammen und genoss ihre Musik, von Traditional Jazz bis hin zu Hardbop und FreeJazz. Außer bei der Matinee im Opernhaus am zweiten Weihnachtstag blieben die domiciler in ihrem Keller. Ausflüge an andere Veranstaltungsorte waren rar. Das Bewusstsein vieler domiciler war geprägt von der Überzeugung, dass es nur mit größtmöglicher Autonomie möglich ist, dauerhaft ein spannendes Programm machen zu können und zwar unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg der einzelnen Veranstaltung.
Kontinuität und Begeisterung der Mitglieder und Fans sorgten rasch für einen überregional guten Ruf. Das domicil war sehr bald ein Ort vor allem aktueller, ambitionierter Musik. Es kombinierte regionale und internationale Acts, war offen für Kleinkunst und anderes. So ist es nicht verwunderlich, dass Dortmunder Bands wie Cochise und Rocktheater Nachtschicht ins Programm integriert wurden, ebenso wie Embryo, Herbert Grönemeyer, Hans-Dieter Hüsch und Django Edwards.
Hinzu kamen Fusion und JazzRock sowie eine bunte Pop- und Rockszene. Auch im domicil fand das globale Musikgeschehen seinen Niederschlag. Zwar dominierten in den Siebzigern Lokalmatadore wie Time in Space, Frank Wunsch, die PilspickerJazzBand und viele andere, aber die Kreise wurden zunehmend größer. Free- und ModernJazz wurde neben Swing und Dixiland geboten. Die Wuppertaler, Kölner und Berliner Szene (Brötzmann, Kowald, Engstfeld, Beckerhoff, Schlippenbach ...) wurde ebenso präsentiert wie Bands aus den Niederlanden und Polen (Breuker, Courbois, van’t Hof, Bennink, Urbaniak...).
Die 1970er Jahre
Swing, Dixieland und Blues verschwanden langsam aus dem Programm, als 1975 Werner Wicke die Programmgestaltung übernahm. Er legte einen neuen Schwerpunkt auf die Präsentation von Modern Jazz, insbesondere aus dem anglo-amerikanischen Raum. Elvin Jones, Archie Shepp, Joe Henderson, Pharoah Sanders u.v.a. waren Musiker, die in dieser Epoche für Begeisterung und ein volles Haus sorgten. Wickes Anliegen, das domicil in ein Kino an der Dorstfelder Brücke zu verlegen, war seiner Zeit voraus. 1981 trat er zurück, da diese Veränderung von der Mehrheit der Mitglieder nicht mitgetragen wurde. Weitere spätere Versuche der Umsiedlung in den 90er Jahren (Minister Stein, Zeche Glückauf-Segen, Universum Kino Brückstraße) scheiterten vor allem an Förderzugängen - die Mitglieder waren in dieser Epoche wohl mehrheitlich dafür.
Die 1980er Jahre
Programmmacher Axel Erlewein ergänzte ab 1982 das von Werner Wicke geprägte Programmprofil des Modern Jazz um (mehr) Fusion und Weltmusik. Im Jahr seines Rücktritts 1989 plante er - zusammen mit dem Kulturbüro und der Livestation - den 1. Dortmunder Jazzfrühling. Dieser bildete den Auftakt eines regelmäßigen domicil-Festivals. Auch in der Förderlandschaft änderte sich in den 80er Jahren einiges: Aus dem Kulturamt entstand das Dortmund Kulturbüro, welches die aufkeimende Soziokultur durch ein vorbildliches Kulturzentren-Konzept förderte.
Die 1990er Jahre bis 2005
Als Ende der 80er Jahre Günter Maiß und Mike Batt Programm und Vorstandvorsitz übernahmen, stellten sich die strukturellen Bedingungen für das domicil folgendermaßen dar: Veranstaltungsort war nach wie vor der Kita-Keller in der Nordstadt mit niedriger Decke, schlechter Belüftung, insgesamt 2 WCs und einem Klavier statt einem Flügel. Das domicil hatte sich bisher fern aller Vernetzungen gehalten. Es gab einen kommunalen Vereinszuschuss von ca. 5 000 bis 7.000 DM pro Jahr sowie die Bereitstellung der Räumlichkeiten. Die Opernhausmatinee fand nach wie vor an jedem zweiten Weihnachtsfeiertag statt.
Günter Maiß und Mike Batt teilten neben altruistischer Jazzbegeisterung das gleiche Kulturverständnis. Hierzu gehörte auch die Aufweichung der ausschließlichen Ehrenamtlichkeit. Neben dem satzungsgerechten Nutzen des domicils sahen sie in der Schaffung von Arbeitsplätzen eine zusätzliche Qualität. Dem Programmmacher wurden daher erstmalig 400 DM monatlich zugestanden, was für mehr als 20-30 Arbeitsstunden pro Woche lediglich eine Aufwandsentschädigung darstellte. Dennoch traten nach dieser Veränderung einige wenige Mitglieder aus dem Verein aus.
Im Gegensatz zu der sehr stark auf Autonomie ausgerichteten Arbeit der vorherigen Vorstände vertraten Günter Maiß und Mike Batt andere Ziele und Einstellungen. So wurde zeitgenössischer Jazz als eine unterrepräsentierte, höchst kreative Kunstsparte betrachtet, die der Förderung von Stadt, Land, Stiftungen, Sponsoren und privaten Förderer/innen bedarf. Die Arbeit des domicil sollte sich in ein Netzwerk einfügen, um nachhaltig und dauerhaft wirksam zu sein und von einer Lobby unterstützt werden. Musiker/innen, Spielstätten und Publikum sollten mittel- bis langfristig von strukturellen Änderungen profitieren.
Nicht alle Ansprüche konnten vom domicil erfüllt werden und so wurden weitere Institutionen gegründet und Kooperationen aufgebaut. Im Musik- und Kulturzentrum Güntherstraße wurde ein Jazzbüro eingerichtet. Mit Gleichgesinnten initiierten Batt & Maiß mit Peter Brand die Vereinsgründungen von „ProJazz Dortmund e.V.“ sowie des Landesverbandes „Netzwerk zeitgenössischer Jazz und Neue Improvisierte Musik NRW e.V.“ und unterstützten dessen Weiterentwicklung zum regionalen Verbund jazzwerkruhr. Kooperationen und Mitgliedschaften bestanden mit dem Kulturbüro, dem WDR, dem Deutschlandfunk, dem Landesmusikrat NRW, ProJazz, ejn european jazz network, GUS (Gemeinschaft unabhängiger Spielstätten) und rockSie!. Das domicil wurde in die LAG Soziokultur NRW aufgenommen.
Jazz-Highlights dieser Epoche waren viele Bands aus Brasilien/Cuba wie Airto & Flora Purim, Gilberto Gil, Baden Powell, Arturo Sandoval, Egberto Gismonti, Paquito D’Rivera. Aber auch die New Yorker Scene war mit Marc Ribot, Hank Roberts, J. Blood Ulmer, Bill Frisell, Tim Berne, u.v.a. gut vertreten.
Seit 1997 gestaltet Waldo Riedl das Programm. Er war und ist durch langjährige Mitgliedschaft im Verein - u. a. als ehrenamtlicher Mixer - bestens mit den Strukturen vertraut. Konzeptionell trug er die Veränderungen mit und brachte eine Fülle von neuen Impulsen ein.
Wichtiger Erfolg und Einschnitt war 1998 die Aufnahme des domicils in den Kreis der freien Dortmunder Kulturzentren mit institutioneller Förderung, wodurch 1 ½ Stellen finanziert werden konnten. Der Titel „Jazzclub“ wurde 2000 verabschiedet, da dieser mittlerweile zu eng für das war, was das domicil zu bieten hatte. Alle Programmmacher verband das Gespür für aktuelle Strömungen, für junge, innovative Künstler/innen und Bands.
Durch gezielte, regelmäßige Projektförderung entwickelte sich das domicil zu einem Labor für die regionale Szene. Dies begann 1989 u.a. mit Reihen wie „Piano Profiles“, den Lateinamerikatagen und dem Monday Night Orchestra Ruhr.
Innovativ war die Einführung der Mittwochs-Reihen durch Waldo Riedl, da die Veranstaltungen zuvor (fast) nur am Wochenende stattfanden. So konnten Bands auf einer regelmäßigen Basis arbeiten und Konzepte und Programme entwickeln, die bei freiem Eintritt eine „Kultur für alle“ darstellten (z.B. NRW-Bigbands, Real Book, Clubzone, Freistil, Weltmusik, baender bender, THE DORF).